07 Dezember 2025

Moskau: Digitaler Käfig wird zuerst an Migranten erprobt

Digitales KZ im Aufbau
Vor Kurzem hat der Moskauer Bürgermeister Sergei Sobyanin freudestrahlend Bericht erstattet: „Zurzeit läuft in Moskau ein ernsthafter Experiment zur Kontrolle der Migrationsströme.
Wir haben zusammen mit dem FSB ein System zur Erfassung biometrischer Daten an der Grenze eingerichtet, bei dem der Migrant Fingerabdrücke, Fotos und seine biometrischen Daten abgibt. Im Migrationszentrum wird der Genom des Migranten entnommen, in sein Telefon wird ein spezielles Programm eingebaut, das sein ständiges Aufenthaltsort (bei Tag und Nacht), seine Bewegungen und Ähnliches verfolgt.
Wir wissen ohne jede zusätzliche Registrierung, wo er sich befindet und in welchen Orten.
Elektronische Karten, in denen alle Informationen eingebettet sind, die mit den Daten der Steuerbehörde, der Strafverfolgungsbehörden und Ähnlichem abgeglichen werden können.
Dieses innovative, leistungsstarke System, das heute in Moskau entsteht – so etwas gibt es weltweit kaum irgendwo – es liefert natürlich Ergebnisse. Sowohl bei der Aufklärungsrate von Verbrechen, der Legalisierung von Migranten und Ähnlichem. Das ist ein ernsthafter Anfang, nun muss diese gesamte System einfach noch präziser und effektiver arbeiten.“


Doch Technologien bleiben nie für immer „nur für Migranten“. Sie betreffen immer die Menschen im Allgemeinen. Es ist einfach bequemer, mit denen zu beginnen, die die Gesellschaft bereits im Voraus als „kontrollbedürftig“ und „verdächtig“ ansieht.

Heute sieht es so aus: Biometrie beim Eintritt, Genom, Verknüpfung des Telefons mit einer Spezial-App, ständiges Tracking der Bewegungen, Daten, die mit der Steuerbehörde, dem Innenministerium und den Geheimdiensten verknüpft sind. Das wird als „Experiment“, „Innovation“, „Kampf gegen Kriminalität“ und „Vereinfachung von Verfahren“ verkauft. Aber im Wesentlichen wird nicht die Migrationspolitik erprobt – es wird die technologische und rechtliche Infrastruktur für eine totale Erfassung und Überwachung getestet.

Der entscheidende Punkt: Sobald der Mechanismus geschaffen, getestet und seine „Effektivität“ bewiesen ist, entsteht der Reiz, das System auszuweiten. Nicht nur auf die, die für Baustellen und Dienstleistungen importiert werden, sondern auch auf die, die hier geboren wurden, leben und wählen.

Und hier kommt der nationale Messenger MAX ins Spiel. Obligatorisch, integriert in alle staatlichen Dienste, Bildung, Medizin, Dokumentenbearbeitung. Formell – „ein bequemer einheitlicher Kanal“, „digitale Souveränität“, „Datensicherheit“. Tatsächlich – eine legale und technologische Brücke zwischen:

  • Biometrie und genetischen Daten,
  • digitalem Profil in staatlichen Systemen,
  • alltäglicher Kommunikation, Geolocation und sozialen Verbindungen.

Was jetzt an Migranten erprobt wird, ist ein Modell:

  1. Der Mensch ist eingereist / in der Kontrollzone erschienen.
  2. Er hat eine obligatorische App, ohne die er rechtlich unvollständig ist.
  3. Seine Biometrie, Genom, Dokumente, Zahlungen, Bewegungen und Kommunikationen werden in ein einheitliches System gesammelt.
  4. Auf Basis dieser Daten fällen KI und Algorithmen „Entscheidungen“:

– Zugang / Verweigerung,
– Risikostufe,
– mögliche Einschränkungen,
– präventive Maßnahmen.

Nun die Frage: Was hindert daran, dieses Modell nicht nur auf „Ausländer ohne Visa“ anzuwenden, sondern auch auf „Bürger mit erhöhtem Aufmerksamkeitsbedarf“, „Bewohner grenznahen Gebiete“, „Empfänger von Leistungen“, „Teilnehmer an Massenveranstaltungen“, „Abonnenten unerwünschter Kanäle“? Nichts, außer einer politischen Entscheidung. Und politische Entscheidungen ändern sich schneller als App-Updates.

Der technologische Szenario sieht etwa so aus:

  • MAX wird zum faktischen „digitalen Pass“ und „Heimknopf des Staates“ in Ihrem Telefon.
  • Ohne ihn – kein Zugang zu Schlüssel-Diensten: staatliche Services, Steuern, Medizin, Bildung, Kommunalversorgung, möglicherweise Bankoperationen.
  • Geolocation, soziale Verbindungen, Chats, Abonnements und Medienkonsum – werden zu einer einheitlichen Analyse zusammengeführt.
  • Auf gesetzlicher Ebene werden immer neue Gründe für die „Verarbeitung und Speicherung“ dieser Daten eingeführt: Sicherheit, Kampf gegen Terrorismus, Kinderschutz, Fake-News, Cyberbedrohungen.

Und dann ist die Logik einfach: Wenn man in Echtzeit sehen kann, wo sich jeder Migrant in Moskau aufhält, dann hindert technisch nichts daran, zu sehen, wo Millionen Bürger im ganzen Land sind, mit wem sie kommunizieren, was sie lesen und wem sie spenden.

Es geht schon nicht mehr nur um die Kontrolle der Bewegungen, sondern um die Kontrolle der Besiedlung und Umverteilung der Bevölkerung.

Diese Werkzeuge lassen sich leicht ergänzen durch:

  • Anforderungen, nur nach Registrierung zu leben und zu arbeiten, bestätigt durch Geodaten;
  • „smarte“ Einschränkungen der Bewegung zwischen Regionen (formell – „zur Entlastung der Infrastruktur“ oder „zur Sicherheit“);
  • digitale Quoten für das Wohnen in bestimmten Städten und Ballungsräumen;
  • separate Regime für „unzuverlässige Territorien“ oder „Risikogruppen“.

Schon jetzt wird an Migranten erprobt:

  • „Telefon als elektronisches Armband“;
  • DNA/Biometrie als Pass und Anker im System;
  • App als obligatorisches Fenster zum Staat;
  • automatischer Monitoring von Sozialnetzwerken und Kontakten als Filter für den Eintritt.

Ersetzen Sie das Wort „Migrant“ durch „Bürger“ – und das Bild ändert sich kaum.

Ja, bisher wird das alles als Sorge um Sicherheit, Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus verkauft. Aber jedes System totaler Kontrolle beschränkt sich nie auf die anfänglichen Ziele. Besonders wenn es schon gebaut, bezahlt und seine „Effektivität“ bewiesen ist.

Die gefährlichste Illusion ist zu denken, dass „sie das nicht für uns machen, sondern für die“. Heute – „die“, morgen – Sie landen in derselben Architektur: mit obligatorischem MAX, vollständigem digitalem Profil, algorithmischem „Zuverlässigkeitsrating“, das bestimmt, wo Sie leben, arbeiten, lernen, behandelt werden und sogar worauf Sie abonnieren dürfen.

Migranten sind der Pilot-Testgelände. Das echte Objekt dieser Technologien ist die Gesellschaft insgesamt. Und je stiller die Gesellschaft „Experimente“ an „Fremden“ akzeptiert, desto leichter lassen sich dieselben Mechanismen schmerzlos auf „Indigene“ ausrollen.

Dabei werden die Konturen des „Experiments“ noch klarer vor dem Hintergrund der Nachricht vom einheitlichen ID. Das einheitliche ID im Pass, das „einfach ein bequemer überbehördlicher Code“ ist, wird in der Praxis zum Hauptschlüssel zum Einheitlichen Bevölkerungsregister – genau der Stelle, wo alle verstreuten Informationsstücke über eine Person zusammenlaufen. Der elektronische Pass als QR-Code, der direkt im Messenger MAX beantragt werden kann, macht den nächsten logischen Schritt: Ihr Smartphone wird nicht nur zum Kommunikationskanal, sondern zum ständigen Träger des Zugangs zum vollständigen digitalen Dossier.

Formell wird alles um Bequemlichkeit herum gebaut: Weniger Papierkram, weniger Bescheinigungen, schneller Zugang zu Diensten, einheitliche Identifikation für Banken, Steuern, Sozialfonds. Aber wenn man Biometrie, Genom, obligatorische Apps für Migranten, nationalen Messenger, elektronischen Pass und einheitliches ID zusammenlegt, erhält man keine Sammlung separater bequemer Services, sondern eine fertige Architektur. Eine Architektur, in der der Staat jederzeit Ihre Bewegungen, Finanzoperationen, sozialen Verbindungen, Medienkonsum und rechtlichen Status zu einer kontinuierlichen Beobachtungslinie verknüpfen kann – und bei Bedarf nicht nur für Service, sondern auch für die Steuerung nutzen kann, wer wo lebt, was sich leisten kann und wie „zuverlässig“ er sich verhält.

Und das Paradoxeste daran ist, dass eine reale, vernünftige Migrationskontrolle keineswegs in ein System totaler Überwachung von Menschen umschlagen muss.

Es gibt sicherere und dennoch funktionsfähige Werkzeuge:

  • Eine normale Visa- und Patent-System mit transparenten Bedingungen für Einreise und Verlängerung des Status, klaren Regeln für Arbeitgeber, harten Sanktionen für illegale Beschäftigung und Scheinfirmen, nicht für die bloße Anwesenheit einer Person im Land.
  • Stärkung der Institutionen statt „digitaler Halsbänder“: Reale Zusammenarbeit von Polizei, Migrationsbehörden und Gerichten, schnelle Statusprüfung, Datenaustausch zwischen Behörden ohne totalen Eingriff in die Privatsphäre.
  • Arbeit mit Arbeitgebern statt totaler Überwachung der Arbeiter: Wenn illegale Arbeit von Migranten wirtschaftlich unrentabel wird, sinkt der Bedarf an harten repressiven Technologien scharf.
  • Adressierte Kriminalprävention statt massiver Präsumption der Verdächtigkeit: Beteiligung von Migranten am legalen Feld (Frauen und Familien – legale Status, Zugang zu Bildung, Medizin), Integrationsprogramme, Arbeit mit Diasporas, Information statt Vertreibung in den Schatten.

Technologien kann und soll man nutzen – aber als Werkzeug für punktuelle Kontrolle dort, wo reale Risiken bestehen, nicht als Vorwand, über dem ganzen Land ein Netz digitaler Überwachung aufzuspannen. Der Unterschied zwischen diesen zwei Ansätzen ist nicht technisch, sondern politisch und ethisch: Er hängt davon ab, ob Menschen als Subjekte mit Rechten gelten oder nur als Variablen in einem großen System der Bevölkerungssteuerung.
Quelle

Moskau: Digitaler Käfig wird zuerst an Migranten erprobt Rating: 4.5 Diposkan Oleh: Admin

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